Gruppentherapie

Der Mensch lebt nicht allein.
Wir leben alle in Gruppen: Familie, Freunde, Arbeitskollegen usw.

Innerhalb dieser Interaktionen entstehen Konflikte, die heilend, aber auch kränkend und krankmachend sind. Wenn wir mit anderen interagieren, dann lösen wir bei anderen eine Reaktion aus, welche wiederum bei uns eine (Gegen-) Reaktion auslöst. So entsteht ein soziales Milieu, welches mich umgibt und mein Selbst und meine Seele formt. Oft sind uns diese Prozesse gar nicht bewusst, obwohl – oder gerade weil – uns diese tagtäglich begleiten. Oft sind es auch Mikroprozesse, welche wir gar nicht wahrnehmen. Die Gruppentherapie ist eine „Laborsituation“ in der wir uns konzentriert begegnen. Wir erhalten gegenseitige Rückmeldungen, darüber, welche Gefühle und Gedanken wir bei anderen auslösen.

  • Wie erlebe ich mich selbst in Beziehung zu anderen?
  • Wie erleben mich andere?
  • Was machen die Beziehungen zu den anderen Gruppenmitgliedern mit mir?

Die „Anderen“ sind ein Spiegel in dem wir uns widerspiegeln und erkennen können. Ich habe die Möglichkeit, eigene Anteile im Anderen zu erkennen. Dabei projiziere ich meine eigenen Ängste oder Wünsche auf den Anderen und in die Beziehung zum Anderen. Der oder die Anderen können mich an frühere, gute oder schlechte Beziehungen erinnern. Dabei kann es auch sein, dass ich glaube eigene ungeliebte und unterdrückte Anteile, im Anderen, in der Beziehung zu ihm oder zur Gruppe zu erkennen. Es kann auch durchaus zu Konflikten zwischen den Gruppenteilnehmer*innen kommen. Aber auch diese müssen wertschätzend und respektvoll „ausgetragen“ werden. Nur so ist es möglich einen Gewinn in Form eines Erkenntniszugewinns zu erhalten.

Wie muss ich mich in der Gruppe verhalten um das zu erreichen? Gibt es konkrete Gruppenregeln?

Ja:

„Im Gruppenprozess machen wir uns bewusst, was wir momentan denken und fühlen, und wählen aus, was wir sagen und tun. Dabei sind wir so authentisch wie möglich. Authentisch sein heißt, Kontakt zu den eigenen Gedanken und Gefühlen zu haben. Auskunft darüber geben, was wir jetzt brauchen, wünschen oder tun sollten. Dabei wählen wir aus was davon wir den anderen sagen oder zumuten wollen“.

Um diesen Anspruch realisieren zu können gibt es ganz konkrete Verhaltensregeln in der Gruppentherapie. Es gelten die Gruppenregeln von Ruth Cohn.

Die Gruppenregeln nach Ruth Cohn:

1. Sei Dein eigener Chairman.

Dies bedeutet so viel wie „übernimm die Verantwortung für Dich selbst“. Bestimme wann und was Du sagen willst und bestimme Dein eigenes Vorgehen im Blick auf die Arbeit, die Gruppe und alles, was für Dich wichtig ist. Nimm Deine Ideen, Gedanken, Wünsche und Gefühle wichtig und wähle aus, was Du den anderen anbieten kannst und um was Du bitten möchtest.

2. Störungen angemessen Raum geben.

Schmerzen, Abneigung oder Vorurteile können unter Umständen der aktuellen Mitarbeit in der Gruppe ebenso im Wege stehen wie große Freude, denn sie schwächen unterschwellig die Konzentraten auf das eigentliche Vorhaben. Deshalb: Unterbrich das Gespräch, wenn Du nicht wirklich teilnehmen kannst, wenn Du gelangweilt, ärgerlich oder aus einem anderen Grund unkonzentriert bist. Die Gruppe weiß dann, was in Dir vorgeht und welchen Anteil sie daran hat. Werden Störungen nicht beachtet, so kann dies schwerwiegende Folgen haben, weil das Lernen oder die Arbeit be- oder sogar verhindert werden. Die Gruppe kann Störungen zwar ignorieren, wirksam sind sie trotzdem. Eine Gruppe, die die Störungen ihrer Mitglieder bearbeitet, gewinnt die scheinbar verlorene Zeit durch intensivere und konzentriertere Arbeit zurück.

3. Vertrete Dich selbst in Deinen Aussagen.

Sprich per „ich“ und nicht per „man“ oder per „wir“ und vermeide verallgemeinernde Redewendungen, wie z.B. „jeder weiß“, „man sagt“ oder „wir alle“ (Stangl, 2020).

4. Stelle möglichst nur Informationsfragen.

Informationsfragen sind nötig, um etwas zu verstehen. Fragen, die kein wirkliches Verlangen nach Information ausdrücken, sind unecht. Ausweichende Antworten oder Gegenfragen sind die Folge, es kommt zum Interview, stat zum Dialog. Wenn anstelle von Fragen Aussagen treten, inspiriert das zu weiteren Interaktionen. Versuche also, eigene Erfahrungen und Gedanken anzusprechen.

5. Wenn du möchtest, bitte um ein Blitzlicht.

Wenn dir die Situation in der Gruppe nicht mehr transparent genug ist, dann äußere zunächst deine Störung und bitte dann die anderen Gruppenmitglieder, in Form eines Blitzlichts auch kurz ihre Gefühle in dem Moment zu schildern.

6. Seitengespräche haben Vorrang.

Sie stören und sind zugleich meist wichtig, sonst würden sie nicht geschehen. Wenn Teilnehmende Seitengespräche führen, so sind sie mit großer Wahrscheinlichkeit stark beteiligt oder gar nicht. Es kann sein, dass ein Gruppenmitglied etwas sagen will, was ihm wichtig ist, aber gegen schnellere Sprecher nicht ankommt und Hilfe braucht, um sich in der Gruppe zu behaupten.

7. Nur eine*r redet zur gleichen Zeit.

Niemand kann mehr als einer Äußerung zur gleichen Zeit zuhören. Damit man sich auf verbale Interaktionen konzentrieren kann, müssen sie nacheinander erfolgen. Sofern mehr als eine Person gleichzeitig reden möchte, verständigt man sich in Stichworten über das, was gesagt werden soll, und über die Reihenfolge der Sprecher*innen.

8. Sei authentisch und selektiv in Deiner Kommunikation.

Mache Dir bewusst, was Du denkst und fühlst, und wähle aus, was Du sagst und tust. Authentisch sein heißt, Kontakt zu den eigenen Gedanken und Gefühlen zu haben, die Auskunft darüber geben, was ich jetzt brauche, wünsche oder tun sollte. Wähle aus, was Du davon den anderen sagen oder zumuten willst. Alles, was Du sagst, sollte wahr sein, aber nicht alles, was wahr ist, muss gesagt werden.

9. Beachte die Signale Deines Körpers und achte auf solche Signale auch bei den anderen.

Wer die Sprache seines Körpers kennt, versteht, wie Gedanken und Aussagen von bestimmten Körpergefühlen begleitet werden und wie diese ihrerseits eine Aussage machen. Auf die Sprache des Körpers zu achten, verschafft wichtige zusätzliche Informationen über das Gesagte und Gehörte.

10. Sprich Deine persönlichen Reaktionen aus und stelle Interpretationen so lange wie möglich zurück.

Werden Interpretationen inadäquat ausgedrückt, so erregen sie Abwehr und verlangsamen oder unterbrechen den Gruppenprozess. Direkte persönliche Reaktionen aber, also Gedanken und Gefühle, die das Gehörte bei Dir auslösen, führen immer zu weiteren Aktivitäten und fördern die spontane Interaktion.

11. Gib Feedback, wenn du das Bedürfnis hast.

Löst das Verhalten eines Gruppenmitgliedes angenehme oder unangenehme Gefühle bei dir aus, teile es ihm sofort mit und nicht später einem Dritten. Wenn du Feedback gibst, sprich nicht über das Verhalten des anderen, denn du kannst nicht wissen, ob du es objektiv und realistisch wahrgenommen hast. Sprich nicht in einer bewertenden und normativen Weise. Beschreibe eher, was das Verhalten oder das Gesagte bei Dir ausgelöst hat. Vermeide Interpretationen und Spekulationen über den anderen.

Sprich zunächst einfach von den Gefühlen, die durch das Verhalten des anderen bei dir ausgelöst werden. Danach kannst du versuchen, das Verhalten des anderen so genau und konkret wie möglich zu beschreiben, damit er begreifen kann, welches Verhalten deine Gefühle ausgelöst hat. Lass dabei offen, wer der „Schuldige“ an deinen Gefühlen ist. Du benötigst dabei keine objektiven Tatsachen oder Beweise – deine subjektiven Gefühle genügen, denn auf diese hast du ein unbedingtes Recht.

Versuche vor deinem Feedback die Einwilligung deines Gesprächspartners einzuholen, ihm dieses zu geben.